Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob Wolfer - Galizien |
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Galiziendeutsche
in Österreich von 1939-heute (1976)
Hilfsaktionen
für Flüchtlinge
Das
Misstrauen und die Ablehnung, die auch den galizischen
Flüchtlingen anfangs begegnete, machte viele
noch verzagter und mutloser. Manche fragten sich verbittert,
ob sie als Nachkommen der Siedler, die Maria Theresia
und der Toleranzkaiser Joseph II. nach Galizien gerufen
hatte, nicht eine bessere Behandlung erwarten durften.
Im Staats- und Hofarchiv in Wien liegen noch so manche
Umsiedlungslisten und Patente unserer Vorfahren auf.
Haben sie nicht die ihnen gestellte Aufgabe der kulturellen
und wirtschaftlichen Hebung des Landes erfüllt?
In der Zeit der grössten Nöte bemühten
sich verschiedene Stellen in Österreich, nicht
nur den Österreichern, sondern auch den Flüchtlingen,
unter ihnen natürlich auch den Galiziendeutschen,
zu helfen. Statistiken darüber wieviel unsere
Landsleute von solchen Hilfsstellenunterstützt
wurden, liegen leider nicht vor.
Träger der ersten direkten Hilfe mit Geld in
besonderen Notfällen, aber auch mit Kleidung
und Lebensmitteln, waren in der schwersten Zeit vor
allem die Kirchengemeiden mit ihren Pfarren. Gegen
Ende 1945 setzten allmählich Hilfsaktionen mit
Lebensmitteln, Bekleidung, Medikamente und Geld aus
dem Ausland, vor allem aus Amerika, Schweden, Holland,
Norwegen, Dänemark und besonders aus der Schweiz.
Um diese Zeit begann man auch Kinder zur Erholung
in die Schweiz und nach Holland zu verschicken.
Bei diesen Aktionen konnte ich durch Jahre hindurch
nicht nur für meine Gemeinde in Wien-Währing,
damals mit 22.000 Seelen die grösste in Österreich,
sondern auch darüber hinaus mitwirken.
Das "Evangelische Hilfswerk in Österreich",
das Sachspenden aus dem Ausland, vor allem vom Lutherischen
Weltbund, dem Weltkirchenrat, dem Hilfswerk der Schweiz
und anderen Institutionen und Ländern an die
Gemeinden verteilte, die sie dann ihrerseits an die
einzelnen Bedürftigen weitergaben, lieferte auch
Lebensmittel für die an verschiedenen Stellen
eingerichteten Küchen, die durch Jahre hindurch
markenfreie und ganz billige Mahlzeiten an Notleidende
abgeben konnten. In unserer Gemeinde wurden zu dieser
Zeit zum Beispiel täglich 500 Menschen, davon
200 Erwachsene zu Mittag und 300 Kinder am Abend,
gespeist. Im Jahr 1947, aus dem eine genaue Statistik
vorliegt, wurden in unserer Gemeinde Wien-Währing
71.170 Mittagessen und Abendportionen ausgeteilt,
1.250 Personen mit Kleiderspenden bedacht und 506
Kinder in die Schweiz, nach Holland oder in Österreich
zur Erholung aufs Land geschickt. In diesem Jahr habe
ich für die individuelle Hilfe 11.181 Karteikarten
ausgestellt und so nicht nur Glieder unserer und anderer
Wiener Gemeinden, sondern auch Flüchtlingen ohne
Rücksicht auf die Staatsbürgerschaft in
grösster Not helfen können; unter ihnen
auch manchem Galiziendeutschen. Ähnliches Geschah
auch an anderen Orten, wie in Mödling durch Pfarrer
Berg.
Die von der Evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich
eingerichtete "Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsseelsorge"
schuf Landesstellen in Linz, Salzburg, Innsbruck,
Graz und die Zentralstelle in Wien. Auch sie wurde,
wie das Hilfswerk, von Spenden des Ökumenischen
Rates der Kirchen, des Lutherischen Weltbundes und
des Hilfswerkes der Schweiz getragen, aber auch von
Gaben der Norwegischen kirchlichen Nothilfe, der Bürgergemeinde,
der Mennonieten, der Quäker, der Schweizer Europahilfe
und anderer Organisationen. Die Flüchtlingsseelsorge
bemühte sich, den Flüchtlingen vor allem
seelsorgerliche Hilfe angedeihen zu lassen. Die seelische
und moralische Hilfe war nicht minder notwendig und
wichtig wie die materielle, denn die Schockwirkung
der Flucht schloss nicht nur physische, sondern auch
grosse seelische Nöte in sich.
Was das "Evangelische Hilfswerk in Österreich",
die "Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsseelsorge
der Evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich"
und die "Innere Mission der evangelischen Kirche
in Österreich", die mit ihren Hilfsaktionen
hier auch erwähnt werden muss, auf evangelischer
Seite getan haben, das machte auf katholischer Seite
die Caritas. Auf die Fürsorgeorganisationen des
Auslandes, des Ökumenischen Rates der Kirchen
und den Flüchtlingsdienst des Weltbundes muss
hier ebenfalls ausdrücklich hingewiesen werden.
Den evangelischen Pfarrern aus Galizien, die gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges nach Österreich
gekommen waren, konnte die Kirche, die auch den anderen
Pfarrern aus dem Osten und Südosten, nur eine
Unterhaltshilfe von 250,- S (damals ein Drittel des
Einkommens eines gelernten Maurerhilfsarbeiters) geben.
Die österreichischen Pfarrer, die auch nur geringe
Gehälter hatten, haben durch persönliche
Opfer die provisorischen Gehälter der Flüchtlingspfarrer
etwas aufgebessert. Erst nach mehreren Jahren wurden
diese den Bezügen der einheimischen Amtsbrüder
angeglichen. Auch die Dienstjahre in der Heimat wurden
den Galiziendeutschen angerechnet. Pfarrerswitwen
konnten nur Gnadenpensionen erhalten.
Neben
den kirchlichen Hilfsaktionen müssen hier auch
die humanitären angeführt werden, vor allem
die des Internationalen Roten Kreuzes, des Österreichischen
und anderer stellen. Durch
diese vielseitigen Bemühungen waren aber die
Nöte der Flüchtlinge bei weitem nicht behoben;
sie haben aber in vielen Fällen Menschen vom
Schwersten bewahrt.
In
den ersten Jahren nach dem Krieg (1945-47) lehnten
alle drei Politischen Parteien (VPÖ, SPÖ
und KPÖ) eine offizielle Mitwirkung bei der Lösung
des volksdeutschen Problems ab. Erst als die Vorurteile,
die Volksdeutschen seien lauter Nationalsozialisten,
langsam schwanden - dazu trug ihre Zurückhaltung
in politischen Dingen, ihr zweifellos unter Beweis
gestellter Wille zur Mitarbeit im wirtschaftlichen
Weideraufbau und Leben des Landes zur wesentlich bei
-, richten auch die politischen Parteien Sektionen
für Heimatvertriebene ein. Ein ähnlicher
Wandel war auch bei den kommunalen und staatlichen
Stellen, wie weiter oben dargelegt wurde, zu verzichten.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galizeindeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
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