Oberkirchenrat Prof. Mag. Johann Jakob Wolfer - Galizien |
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Galiziendeutsche
in Österreich von 1939-heute (1976)
Einleitung:
Einwanderer
und Flüchtlinge, die seit 1939 nach Österreich
gekommen sind:
Schwierigkeiten
und Nöte
Hilfsaktionen
für Flüchtlinge
Gemeinschaftsleben
der Galiziendeutschen in Österreich
Das
Andenken Zöcklers in Österreich
Die
Situation heute (1976)
Einleitung
Galiziendeutsche
in Österreich von 1939-heute
Die Zahl der Galiziendeutschen, die im Zusammenhang
mit dem zweiten Weltkrieg nach Österreich
kamen, ist kleiner, als man gewöhnlich
annimmt. Der weitaus grössere Teil der
Landsleute, die heute in diesem Lande leben,
ist durch die Vermittlung von Verwandten und
Bekannten schon vor oder nach dem ersten Weltkrieg
hierher gekommen.
Ausgewanderte haben oft andere Auswanderungswillige
nach sich gezogen, vor allem Verwandte, die
hier eine neue Stellung bei Eisenbahn, Post
und Polizei, als Handwerker, Angestellte und
Beamte gefunden haben. Darunter waren auch
nicht wenige Lehrer und evangelische Pfarrer,
von denen manche nach ihrem Studium in Wien
gleich hier geblieben sind.
Eine
Reihe von Landsleuten haben es als Kaufleute
und in akademischen Berufen zu Ansehen und
Wohlstand gebracht, so Universitäts-Professor
D.Dr. Karl Völker, Notar Dr. Vinzenz
Reichert, Religionsinspektor Kirchenrat Hofrat
Professor Dr.Dr. Franz Fischer, die Pfarrer
Julius Leibfritz, Erwin Bisanz, Arthur Berg,
Gustav Müller, Oberkirchenrat Prof. Mag.
Jakob Wolfer, der Architekt Wilhelm Bolek,
die Hofräte Adolf Hargesheimer, Dipl.
Ing. Valentin Schilling, Kanzleidirektor Adam
Frick, Werkmeister i.R. Heinrich Sander und
andere. Es darf wohl auch erwähnt werden,
dass nicht wenige Galizier in Österreich
um ihrer Verdienste willen öffentlich
ausgezeichnet wurden.
Diese
Generation der in Österreich alt eingesessenen
Deutschgalizier hängt, soweit sie noch
am Leben ist, mit einer oft rührenden
Liebe an der alten Heimat, die Kinder und
Enkel aber, die schon hier geboren und aufgewachsen
sind, wollen kaum noch etwas von der Herkunft
ihrer Eltern und Vorfahren wissen; vielleicht
von einigen Fällen abgesehen. In der
unserem Schlag eigenen Anpassungsfähigkeit
gingen sie schon fast durchweg im Österreicherturm
auf, assimilierten sich so, dass bei ihnen
nichts mehr an die alte Heimat der Vorfahren
erinnert.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch"
Heimatbuch der Galiziendeutschen Teil 2 auf
den Seiten 394-404
Einwanderer
und Flüchtlinge, die seit 1939 nach Österreich
gekommen sind:
Da
sind zunächst die ganz wenigen Landsleute zu
erwähnen, die gleich nach dem Ende des deutsch-polnischen
Krieges 1939 direkt nach Österreich gekommen
und hier geblieben sind. Das waren vor allem jüngere
Menschen, die zu Hause keine feste Bindungen, keinen
Beruf, oder keine Stelle und darum keine Aussicht
auf eine gesicherte Zukunft hatten und sie hier im
Vertrauen auf die Hilfe von Verwandten oder bekannten
in Österreich suchten.
Eine
zweite auch nicht grosse Gruppe Galizier kam nach
der Umsiedlung 1939/40 über verschiedene Flüchtlingslager
nach Österreich. Diese Landsleute zogen es vor,
sich mit dem Hinweis auf Zusicherung von Verwandten
und Freunden nach Österreich zu melden, die sie
aufnahmen oder ihnen eine Wohnung verschafften, sie
unterstützten und ihnen über die ersten
Schwierigkeiten hinweghalfen.
Hier wären um einige Namen zu nennen, Dr. Walter
Bisanz anzuführen, der mit seinen Eltern über
das Übersiedlungslager St. Annaberg in Oberschlesien
nach Wien kam; auf dem gleichen Wege sind die Eltern
von Pfarrer Bisanz, Heinrich und Maria, geb. Wallascheck,
im Juli 1940 nach Loipersbach im Burgenland, Dr. Martha
Lercher über Schlesien und Gertrude Birkefellner,
geb. Bisanz, aus Zakopane nach Österreich gekommen.
Einzelne
Landsleute, die die Umsiedlungsaktion um die Wende
1939/40 ungenutzt hatten vorüber gehen lassen,
weil sie sich nicht von der Heimat trennen konnten
und einige Monate unter russischer Herrschaft gelebt
hatten, liessen sich von der letzten Umsiedlungskommission,
die nach Galizien kam, erfassen und Ende Mai 1940
umsiedeln. Darunter war z.B. die Familien Foitik aus
Lemberg, die über verschiedene Lager Ende Oktober
1940 nach Wien kam.
Die
grösste Zahl der Landsleute aber kam erst gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges nach Österreich,
also 1944/45, als Flüchtlinge mit mehr oder weniger
Hab und Gut, in manchen Fällen nur mit dem, was
sie auf dem Leibe trugen, und auf verschiedenen Wegen.
Als
die Russen vorrückten, verliessen mit dem allgemeinen
Flüchtlingsstrom aus Ostgalizien auch einzelne
Landsleute, die von der Umsiedlungsaktion im Jahre
1939/40 keinen Gebrauch gemacht hatten, die Heimat
und schlugen, wie ich es beispielsweise von der Familie
Kanniak (Laya) aus Kaltwasser weiss, auf abenteuerlichen
Umwegen nach Österreich durch.
Aus
Westgalizien mussten die Landsleute erst im Sommer
1944 weg. Die meisten zogen mit dem Treck in Richtung
Deutschland, aber es gab auch solche, die sich bei
der von den deutschen Behörden angeordneten Räumung
Marschbefehle nach Österreich ausstellen liessen.
Sie gingen zu Freunden, Verwandten und Bekannten,
die inzwischen durch die Bombenangriffe zum Teil selber
kein Dach mehr über dem Kopf hatten. Beispiel:
Lehrer Leopold Welch aus Hohenbach, Familie Oberrechnungsrat
Karl Hulski aus Kreczow und andere.
Auch
von den in Schlesien, in Litzmannstadt oder Wartheland
angesiedelten Landsleuten liessen sich einige nicht
von dem allgemeinen Flüchtlingsstrom nach dem
Westen mitreissen, sondern zogen nach Süden,
um nach Österreich zu gelangen; manche schon
früher, manche aber erst im letzten Augenblick,
auf verschiedenen Wegen, einzeln oder in Familien,
in keinem Fall aber in grösseren Gruppen.
Als anschauliches Beispiel kann ich hier den Weg der
Lehrerin Elsa Müller aus Lemberg anführen.
Am 18. 01. 1945 floh sie bei Schnee und Frost mit
dem Flüchtlingsstrom vor den Russen zu Fuss und
nur mit einer Aktentasche nach Westen, landete in
Spremberg, brach am 16. 02. 1945 wieder auf, erst
mit der Bahn, dann zu Fuss um das brennende Dresden
herum und wieder mit der Bahn, dem Autobus und zu
Fuss und landete am 20. 02. 1945 krank und am Ende
der Kräfte bei der Schwester in Wien.
Von
keinem Bundesland, ausser Wien, und von keiner Gegend
in Österreich kann man sagen, dass sich in ihnen
besondere Zentren von Galiziendeutschen gebildet hätten,
wie es bei anderen, allerdings bedeutend grösseren
Gruppen von Volksdeutschen der Fall war. Diese kamen
in grösseren Trecks nach Österreich und
blieben hier auch beisammen. Unsere Landsleute aber,
die einzeln oder nur zu zweit und dritt kamen, verschlug
es in die verschiedensten Gegenden, vom Neusiedlersee
bis zum Bodensee, in Städte genauso wie aufs
Land.
Soweit ich feststellen konnte, hat nicht nur jede
Familie, sondern fast jeder einzelne Galiziendeutsche,
der schliesslich gewollt oder auch ungewollt in Österreich
landete, ein ganz besonderes Schicksal, ist seine
eigenen Wege gegangen oder geführt worden. Diese
Generation der in Österreich alt eingesessenen
Deutschgalizier hängt, soweit sie noch am Leben
ist, mit einer oft rührenden Liebe an der alten
Heimat, die Kinder und Enkel aber, die schon hier
geboren und aufgewachsen sind, wollen kaum noch etwas
von der Herkunft ihrer Eltern und Vorfahren wissen;
vielleicht von einigen Fällen abgesehen. In der
unserem Schlag eigenen Anpassungsfähigkeit gingen
sie schon fast durchweg im Österreicherturm auf,
assimilierten sich so, dass bei ihnen nichts mehr
an die alte Heimat der Vorfahren erinnert.
Von
den deutschen Behörden ist in den Jahren 1939
bis 1945 jedenfalls von Amts wegen keine Unsiedelung
von Galiziendeutschen nach Österreich vorgenommen
worden, obzwar das gar nicht so abwegig gewesen wäre.
Hätte doch Joseph II. einst Vorfahren aus Westdeutschland
zur wirtschaftlichen und kulturellen Hebung des Landes
nach Galizien gerufen, das nach der Teilung Polens
an Österreich gefallen war und durch fast 150
Jahre - bis zum Ende des Ersten Weltkrieges - als
Kronland zu Österreich gehörte. Alle, die
nach 1939 nach Österreich gekommen sind, kamen
aus freiem Entschluss oder durch besondere Umstände
gezwungen oder rein zufällig her.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galizeindeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
Schwierigkeiten
und Nöte
Nach
den grossen Schwierigkeiten der Flucht und bei manchen
auch noch des Lagerlebens kamen hier neue, nicht weniger
grosse Nöte dazu. Man muss sich die Situation
hier im Lande bei Kriegsende nur einmal vergegenwärtigen.
Welches Chaos herrschte da! Hunderttausende Flüchtlinge
aus aller Herren Länder, vor allem aus dem Osten
und Südosten Europas, Hunderttausende Reichsdeutsche,
die in Österreich Schutz gesucht hatten vor den
Fliegerangriffen in Deutschland, oder gemeint hatten,
den Krieg in der "Alpenfestung" noch am
besten überstehen zu können, bevölkerten
zusätzlich Städte und Dörfer. Dazu
kamen noch überfüllte Arbeitsdienstlager
mit Fremdarbeitern und Zwangsarbeitern, die gegen
Ende des Krieges mit ihren Betrieben immer mehr nach
Österreich verlegt worden waren, überfüllte
Kriegsgefangenenlager und Konzentrationslager, die
beim Näherkommen der Alliierten mit Insassen
aus aufgelassenen Lagern anderer Gegenden unvorstellbar
vollgestopft wurden, sie alle öffneten beim Zusammenbruch
ihre Tore, und die Internierten überfluteten
zu Hunderttausenden zusätzlich das Land.
In dieser Situation war die Lage der Flüchtlinge
im Allgemeinen und damit auch der Galiziendeutschen
unsagbar schwer. Der kleine Österreichische Staat,
der vorher kaum 6 Millionen Einwohner hatte, umfasste
nun über 1,5 Millionen Menschen mehr und war
nicht bereit, weithin auch nicht in der Lage, die
Last der Betreuung aller versetzten Personen auch
nur vorübergehend zu übernehmen, geschweige
denn ihnen allen auch die Aufenthaltsgenehmigung und
eine Existenzmöglichkeit zu geben.
Die vier Besatzungsmächte (Amerikaner, Engländer,
Franzosen und Russen) errichteten eigene Ämter
und setzten Offiziere zur Betreuung und zum Abtransport
der versetzten Personen (der DP´s), der Flüchtlinge
und Reichsdeuteschen ein. Die Besatzungsmächte
behielten sich auch die Aufsichts- und Vollzugsgewalt
über alle diese Menschen vor. Erst im Zuge der
langsamen Erstarkung der Behörden des wieder
selbstständig gewordenen Österreich wurden
nach und nach die österreichischen Behörden
in diese Funktionen eingeschaltet, jedoch so, dass
die Besatzungsmächte die Aufsicht behielten.
Problem Nummer eins bei den Flüchtlingen war
die Wohnungsnot. Die Notunterkünfte, in denen
die Menschen Hausen mussten, waren vielfach menschenwürdig
und bei manchen dauerte diese Not lang. Ich kenne
Landsleute, die in Niederösterreich 20 Jahre,
also bis 1965, in Baracken untergebracht waren. Noch
1953 lebten 47.795 Flüchtlinge in Barackenlagern,
von ihnen waren 426 deutschsprachige aus Polen. Den
genauen Anteil an Galiziendeutschen daran kann ich
nicht angeben, aber einige dieser Fälle sind
mir bekannt, etwa die Schicksale der Schwestern Leibrock,
Auguste Gurawski und Eleonore Kochanski. Sie sind
nach der Umsiedlung1939/40 durch zwölf Lager
durchgegangen, bis sie schliessslich 1945 im Barackenlager
Horn, Niederösterreich, landeten und dort noch
jahrelang leben mussten; Auguste Gurawski sogar bis
1965, bis sie in Wien eine Wohnung bekam.
Eine
weitere Not: der Grossteil der Flüchtlinge hatte
alles verloren. Selbst die letzten Habseligkeiten
waren manchen unterwegs abhanden gekommen oder sie
hatten sie zurücklassen müssen. Viele standen
ohne Geld und ohne Einkommen da, vor allem die älteren
Leute; denn der österreichische Staat fühlte
sich nicht verpflichtet, Pensionen oder Renten auszuzahlen.
Selbst in offensichtlichen und grossen Notfällen
waren die kommunalen Stellen in den ersten Zeiten
nicht in der Lage oder nicht willens zu helfen. Kirchliche
Gemeinden, oder andere Kirchliche Stellen waren nur
in sehr beschränkter Weise in der Lage, Fürsorgeunterstützung
zu geben. Kein Wunder, dass diese Leute bestrebt waren
nach Deutschland zu kommen, wo sie hoffen durften,
ihre Pensions- und Rentenansprüche durchsetzen
zu können, oder zu Verwandten nach Übersee,
wo sie mit einem Schlag das Ende aller Nöte und
Schwierigkeiten erhofften.
Eine solche, möglichst rasche Abwanderung lag
ja auch in den Intentionen der Alliierten und der
österreichischen Regierung, wie bereits bemerkt.
Es gelang dann auch einigen, zuerst illegal, dann
legal, über die Grenze in die BRD zu kommen.
Aber die Besatzungsmächte sperrten bald die Transporte
nach Westdeutschland und nach Übersee. Erst 1952
erhielten Flüchtlinge in Österreich die
Möglichkeit der legalen Ausreise aus dem Land
und die Einreise in die deutsche Bundesrepublik. Aber
da gab es dann wieder Schwierigkeiten mit der Aufnahme,
weil inzwischen die Anmeldefrist vom 31. 12. 1952
verstrichen war. Manche gingen dann trotzdem nach
Deutschland, so Dr. Julius Krämer, Schulrat Jakob
Enders, Lehrer Rudolf Krämer u.a., und in Bundesländer,
die ihr Kontingent an Flüchtlingen noch nicht
erfüllt hatten, erreichten sie schliesslich doch
die Aufnahme.
Auch mit der Ausreise nach Übersee war es schwierig,
weil die Einreisekontingente sehr begrenzt und die
Wartezeiten sehr lange waren. Später haben dann
internationale Stelle wie UNRA und IRO dabei wesentlich
mitgeholfen. Einer, dem es z. B. 1949 gelang, mit
seiner Familie nach Australien auszuwandern, war Ernst
Schärer. 1946 aus französischer Kriegsgefangenschaft
nach Österreich entlassen, fand er in Schladming
seine mit dem Sohn geflüchtete Frau und bemühte
sich, in der Steiermark zu bleiben. Aber es stellten
sich ihm so viele Schwierigkeiten in den Weg, dass
er Österreich verliess und nach Sydney auswanderte.
Dort fand er eine neue Heimat und brachte es zu einem
gewissen Wohlstand. In der Gemeinde Aich-Assach bei
Schladming verbrachte Dr. Dr. Hans Koch im pfarramtlichen
Dienst die ersten Jahre nach dem Krieg. Er ging 1952
zum Aufbau eines Osteuropa-Institutes nach München.
Es
gab in der ersten Zeit noch andere Schwierigkeiten
und Nöte. Die Flüchtlinge bekamen keine
Lebensmittelkarten, wenn sie nicht einen Arbeitsnachweis
erbringen konnten. Beschäftigung gab es aber
nur bei Aufräumungsarbeiten nach den Fliegerangriffen,
als Bauhilfsarbeiter, in der Landwirtschaft oder bei
anderen schweren Arbeiten, und nur für solche
schweren Arbeiten die Arbeitsämter die Arbeitsbewilligung
für Flüchtlinge. Selbst Aufenthaltsbewilligungen
wurden für Flüchtlinge in den meisten Fällen
von solchen Beschäftigungen abhängig gemacht,
die zu den schwersten in der betreffenden Gegend gehörten.
So musste auch mancher von unseren Leuten längere
Zeit solche Arbeit verrichten, denen sie physisch
kaum gewachsen waren. Unseren Landsleuten aus Ostgalizien,
das unter die russische Herrschaft gekommen war, drohte
zudem die Gefahr, von den Russen in die frühere
ostgalizische Heimat zurückgeführt zu werden.
Darum lebten sie ständig in Angst. Sie musssten
sich verbergen, ihren Wohnort ändern und immer
wieder die Hilfe wohlwollender Bürgermeister
und Polizisten suchen, um der Rückführung
nach Galizien zu entgehen. Auch die Pfarrer mussten
sich oft für sei verwenden. das war oft sehr
schwierig, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, weil
auch unsere Behörden Angst vor den Russen hatten.
Da
auch die Volksdeutschen staatsbürgerlich gesehen
als Ausländer betrachten wurden, fielen sie in
arbeitsrechtlicher, sozialer und politischer Hinsicht
unter das Ausländergesetz. Kein Wunder, dass
sie sich, wenn sie sich entschlossen hatten, in Österreich
zu bleiben, nach Kräften um die Erlangung des
Heimatrechtes in Österreich bemühten. Eine
Einbürgerin en bloc kam nicht in Frage, der individuellen
Einbürgerung aber stand die ablehnende Begründung
entgegen: Überfüllung des Arbeitsmarktes
und damit Vergrösserung der Arbeitslosigkeit
im Lande für die Österreicher. Auch Furcht
vor Konkurrenz spielte bei der Ablehnung mit, da die
Volksdeutschen keine Arbeit scheuten und sehr fleissig
waren. Trotzdem schafften es die meisten unserer Landsleute
nach und nach, österreichische Staatsbürger
zu werden. Manche Mädchen und Witwen erreichten
dies schon vorher durch Heirat mit einem Österreicher.
Schwierigkeiten
für Flüchtlinge ohne österreichische
Staatsbürgerschaft auf arbeitsrechtlichem Gebiet
waren lange Zeit sehr gross. Zwar scheiterte das für
sie sehr ungünstige Inlandsarbeitergesetz am
wiederstand der Wirtschaft, der Öffentlichkeit
und der Kirchen, aber es diente doch als abgelehntes
Gesetz als Richtlinie, die auch auf die Volksdeutschen
angewendet wurde.
Die
schlechte soziale Lage der landwirtschaftlichen Arbeiter
drängte die meisten Volksdeutschen in dei Städte
oder in die Industrie. Da waren die arbeitsrechtlichen
und sozialen Bedingungen günstiger und die Chance
für die Kinder besser. Am 17. Juli 1952 beschloss
der österreichische Nationalrat die Bundesgesetze
über die Gleichstellung der Volksdeutschen. Diese
Gesetze betrafen die Einstellung von Invaliden, die
Krankenpflege, die Berufsausbildung der volksdeutschen
Ärzte und Dentisten, die Ausübung des Notarberufs
und die gewerbliche Gleichstellung. Diese Gesetze
wirkten sich günstig aus und bedeuteten für
die eingebürgerten Landsleute eine gewisse Erleichterung
für ihre Existenzgründung und Sesshaftmachung
in Österreich.
1954 wurden weitere Gesetze für die Rechtsangleichung,
vor allem für die deutschsprachigen Flüchtlinge
erlassen, die von Bedeutung waren. Aufgrund eines
Abkommens mit der Bronner Bundesregierung wurden an
5500 Flüchtlinge Pensionen und Staatsrenten ausgezahlt,
die die österreichische Staatsbürgerschaft
besassen, die deutschsprachig waren und früher
einmal in einem staatlichen Dienstverhältnis
in einem der Länder der ehemaligen österreichisch-ungarischen
Monarchie gestanden hatten. Darunter waren auch einige
Galizier.
Zwischen der Bundesregierung und der österreichischen
Regierung wurde auch noch ein zweites Abkommen über
den Bezug von Sozialversicherungsrenten für deutschsprachige
Angestellte oder Arbeiter abgeschlossen. Alle, die
in der Heimat als Angestellte oder Arbeiter in einer
Sozialversicherungsinstitution ihre Prämien geleistet
hatten, bekamen Altersrenten nach der in Österreich
geltenden Gesetzen zugesprochen. Auch von diesem Abkommen
profitierten einige, vor allem altere Landsleute.
Bei dieser Regelung waren aber die Bauern, die landwirtschaftlichen
Arbeiter, die zu Hause selbstständig Tätigen,
Kaufleute, Ärzte, Dentisten, Hotel- und Gaststättenbesitzer
usw. ausgenommen.
Weitere Erleichterungen betrafen die Versorgung der
Kriegswitwen und -waisen, der nicht eingebürgerten
Landsleute, die Hausratshilfe, Anrechnung von Dienstjahren
u. a. kamen nach und nach dazu. Auch die Angleichung
der Fürsorgerichtsätze der Volksdeutschen
an die der Österreicher soll hier nicht unerwähnt
bleiben.
Aufgrund
des "Umsiedler- und Vertriebenen-Entschädigungsgesetzes"
(BGBI Nr. 177/1962) in Verbindung mit dem "Anmeldegesetz"
(BGBI Nr.12/1962) bekamen manche Landsleute um die
Mitte der 60er Jahre eine Entschädigung, die
aber nur einen Bruchteil der verlorenen Habe ausmachte.
In Fällen, die mir bekannt wurden, handelte es
sich um Hausratsentschädigungen im bescheidensten
Ausmass.
Abschleissend einige Zahlen. Die Gesamtzahl der Galiziendeutschen
Flüchtlinge betrug in Österreich schätzungsweise
340-370. Davon wurden in den ersten Jahren nach dem
Krieg etwas 120 Personen in dei Bundesrepublik abtransportiert.
Bis zum 1. 9. 1953 erlangten etwa 150 bis 160 die
österreichische Staatsbürgerschaft; die
restlichen galten als staatenlos.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galiziendeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
Hilfsaktionen
für Flüchtlinge
Das
Misstrauen und die Ablehnung, die auch den galizischen
Flüchtlingen anfangs begegnete, machte viele
noch verzagter und mutloser. Manche fragten sich verbittert,
ob sie als Nachkommen der Siedler, die Maria Theresia
und der Toleranzkaiser Joseph II. nach Galizien gerufen
hatte, nicht eine bessere Behandlung erwarten durften.
Im Staats- und Hofarchiv in Wien liegen noch so manche
Umsiedlungslisten und Patente unserer Vorfahren auf.
Haben sie nicht die ihnen gestellte Aufgabe der kulturellen
und wirtschaftlichen Hebung des Landes erfüllt?
In der Zeit der grössten Nöte bemühten
sich verschiedene Stellen in Österreich, nicht
nur den Österreichern, sondern auch den Flüchtlingen,
unter ihnen natürlich auch den Galiziendeutschen,
zu helfen. Statistiken darüber wieviel unsere
Landsleute von solchen Hilfsstellenunterstützt
wurden, liegen leider nicht vor.
Träger der ersten direkten Hilfe mit Geld in
besonderen Notfällen, aber auch mit Kleidung
und Lebensmitteln, waren in der schwersten Zeit vor
allem die Kirchengemeiden mit ihren Pfarren. Gegen
Ende 1945 setzten allmählich Hilfsaktionen mit
Lebensmitteln, Bekleidung, Medikamente und Geld aus
dem Ausland, vor allem aus Amerika, Schweden, Holland,
Norwegen, Dänemark und besonders aus der Schweiz.
Um diese Zeit begann man auch Kinder zur Erholung
in die Schweiz und nach Holland zu verschicken.
Bei diesen Aktionen konnte ich durch Jahre hindurch
nicht nur für meine Gemeinde in Wien-Währing,
damals mit 22.000 Seelen die grösste in Österreich,
sondern auch darüber hinaus mitwirken.
Das "Evangelische Hilfswerk in Österreich",
das Sachspenden aus dem Ausland, vor allem vom Lutherischen
Weltbund, dem Weltkirchenrat, dem Hilfswerk der Schweiz
und anderen Institutionen und Ländern an die
Gemeinden verteilte, die sie dann ihrerseits an die
einzelnen Bedürftigen weitergaben, lieferte auch
Lebensmittel für die an verschiedenen Stellen
eingerichteten Küchen, die durch Jahre hindurch
markenfreie und ganz billige Mahlzeiten an Notleidende
abgeben konnten. In unserer Gemeinde wurden zu dieser
Zeit zum Beispiel täglich 500 Menschen, davon
200 Erwachsene zu Mittag und 300 Kinder am Abend,
gespeist. Im Jahr 1947, aus dem eine genaue Statistik
vorliegt, wurden in unserer Gemeinde Wien-Währing
71.170 Mittagessen und Abendportionen ausgeteilt,
1.250 Personen mit Kleiderspenden bedacht und 506
Kinder in die Schweiz, nach Holland oder in Österreich
zur Erholung aufs Land geschickt. In diesem Jahr habe
ich für die individuelle Hilfe 11.181 Karteikarten
ausgestellt und so nicht nur Glieder unserer und anderer
Wiener Gemeinden, sondern auch Flüchtlingen ohne
Rücksicht auf die Staatsbürgerschaft in
grösster Not helfen können; unter ihnen
auch manchem Galiziendeutschen. Ähnliches Geschah
auch an anderen Orten, wie in Mödling durch Pfarrer
Berg.
Die von der Evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich
eingerichtete "Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsseelsorge"
schuf Landesstellen in Linz, Salzburg, Innsbruck,
Graz und die Zentralstelle in Wien. Auch sie wurde,
wie das Hilfswerk, von Spenden des Ökumenischen
Rates der Kirchen, des Lutherischen Weltbundes und
des Hilfswerkes der Schweiz getragen, aber auch von
Gaben der Norwegischen kirchlichen Nothilfe, der Bürgergemeinde,
der Mennonieten, der Quäker, der Schweizer Europahilfe
und anderer Organisationen. Die Flüchtlingsseelsorge
bemühte sich, den Flüchtlingen vor allem
seelsorgerliche Hilfe angedeihen zu lassen. Die seelische
und moralische Hilfe war nicht minder notwendig und
wichtig wie die materielle, denn die Schockwirkung
der Flucht schloss nicht nur physische, sondern auch
grosse seelische Nöte in sich.
Was das "Evangelische Hilfswerk in Österreich",
die "Flüchtlingshilfe und Flüchtlingsseelsorge
der Evangelischen Kirche A. u. H.B. in Österreich"
und die "Innere Mission der evangelischen Kirche
in Österreich", die mit ihren Hilfsaktionen
hier auch erwähnt werden muss, auf evangelischer
Seite getan haben, das machte auf katholischer Seite
die Caritas. Auf die Fürsorgeorganisationen des
Auslandes, des Ökumenischen Rates der Kirchen
und den Flüchtlingsdienst des Weltbundes muss
hier ebenfalls ausdrücklich hingewiesen werden.
Den evangelischen Pfarrern aus Galizien, die gegen
Ende des Zweiten Weltkrieges nach Österreich
gekommen waren, konnte die Kirche, die auch den anderen
Pfarrern aus dem Osten und Südosten, nur eine
Unterhaltshilfe von 250,- S (damals ein Drittel des
Einkommens eines gelernten Maurerhilfsarbeiters) geben.
Die österreichischen Pfarrer, die auch nur geringe
Gehälter hatten, haben durch persönliche
Opfer die provisorischen Gehälter der Flüchtlingspfarrer
etwas aufgebessert. Erst nach mehreren Jahren wurden
diese den Bezügen der einheimischen Amtsbrüder
angeglichen. Auch die Dienstjahre in der Heimat wurden
den Galiziendeutschen angerechnet. Pfarrerswitwen
konnten nur Gnadenpensionen erhalten.
Neben
den kirchlichen Hilfsaktionen müssen hier auch
die humanitären angeführt werden, vor allem
die des Internationalen Roten Kreuzes, des Österreichischen
und anderer stellen. Durch
diese vielseitigen Bemühungen waren aber die
Nöte der Flüchtlinge bei weitem nicht behoben;
sie haben aber in vielen Fällen Menschen vom
Schwersten bewahrt.
In
den ersten Jahren nach dem Krieg (1945-47) lehnten
alle drei Politischen Parteien (VPÖ, SPÖ
und KPÖ) eine offizielle Mitwirkung bei der Lösung
des volksdeutschen Problems ab. Erst als die Vorurteile,
die Volksdeutschen seien lauter Nationalsozialisten,
langsam schwanden - dazu trug ihre Zurückhaltung
in politischen Dingen, ihr zweifellos unter Beweis
gestellter Wille zur Mitarbeit im wirtschaftlichen
Weideraufbau und Leben des Landes zur wesentlich bei
-, richten auch die politischen Parteien Sektionen
für Heimatvertriebene ein. Ein ähnlicher
Wandel war auch bei den kommunalen und staatlichen
Stellen, wie weiter oben dargelegt wurde, zu verzichten.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galizeindeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
Gemeinschaftsleben
der Galiziendeutschen in Österreich
Bis
1945 gab es in Wien einen Saarpfalzenverein, den Pfarrer
Arthur Berg begründet hatte. Letzter Obmann des
Vereins war nach Dr. Otto Keipper, Notar Dr. Vinzenz
Reichert. Die Mitglieder des Vereins trafen sich regelmässig.
Landsleute, die nach 1939 nach Wien kamen, fanden
hier Anschluss. Schon Monate vor Kriegsende hörten
die Zusammenkünfte auf.
Wien war in vier Besatzungszonen eingeteilt, und die
vier Besatzungsmächte, die amerikanische, englische,
französische und russische, führten abwechselnd
den Vorsitz im gemeinsamen Verwaltungsgremium der
Alliierten Komission und ihrer Kommandantur in ersten
Wiener Bezirk. Das gab jeder der Mächte die Möglichkeit,
nicht nur in der eigenen Zone zu bestimmen, sondern
darüber hinaus auch in die anderen einzugreifen.
Ein Treffen der Landsleute in den einzelnen Zonen,
und erst recht über die Zonengrenzen hinaus,
hätte bei manchen Besatzungsmächten Argwohn
erregt und Gefahren für alle Landsleute heraufbeschworen.
Hatten doch eine ganze Reihe der Galiziendeutschen
keine österreichische Staatsbürgerschaft
und stammten noch dazu aus dem Osten Galiziens, der
an die UdSSR gefallen war. Die Russen wollten, wie
bereits erwähnt, alle Flüchtlinge aus ihren
Gebieten repatriieren, ganz gleich, ob es sich um
Polen, Ukrainer oder Deutsche handelte. Diese Angst,
wieder in die alte Heimat zurückgebracht zu werden,
hatten die anderen volksdeutschen Flüchtlinge
nicht. Die grösseren Gruppen unter ihnen schlossen
sich darum schon bald nach Kriegsende landsmannschaftlicht
zusammen und schufen sich ihre eigenen Wohlfahrtsorganisationen.
Die Mittel dazu beschafften sie sich auf dem Wege
der Freiwilligkeit. Gerade in den zehn schwersten
Jahren, wo der landsmannschaftliche Zusammenschluss
und Zusammenhalt der Galiziendeutschen besonders nötig
gewesen wäre, um einander möglichst viel
zu helfen, war das für unsere Landsleute nicht
möglich. Das hinderte aber manche nicht, sich
in kleinen Gruppen zu treffen, einander und anderen
beizustehen, etwa bei der Arbeitssuche, bei der Suche
nach Vermissten, dem Austausch von Informationen u.
ä. Als solche Kontaktpersonen, die sich nach
Möglichkeit um Verbindungen und Fühlungnahme
unter den Landsleuten besonders bemühten, fungierten
vor allem die Pfarrer. Da wären die Namen Berg,
Bisanz, Bolek, Gruber, Leibfritz, Wolfer besonders
zu nennen.
Erst
1955 änderte sich die Situation.
Der Abschluss des Staatsvertrages und der Abzug der
Besatzungsmächte ermöglichte wieder vereinsmässige
Aktivitäten. Diese neue Situation nützte
ich gleich, um eine Zusammenkunft der Landsleute zu
arrangieren. Ich hatte alle Adresse aus der Zeit von
1945, die natürlich nur noch teilweise stimmten,
und auch eine ganze Reihe von Anschriften der Flüchtlinge,
die ich in der Zwischenzeit gesammelt hatte. So lud
ich bei der ersten sich bietenden Möglichkeit
die Landsleute zum ersten Treffen nach dem Kriege
ein. Das Gustav-Adolf-Fest des Hauptvereines in Österreich,
das vom 15. bis 18. September 1955 in meiner Gemeinde
in Wien stattfand, führte auch Galiziendeutsche
aus weiterer Ferne nach Wien, aus Oberösterreich,
Tirol, ja auch aus Westdeutschland; ein Teilnehmer
kam sogar aus der Deutschen Demokratischen Republik.
Es erschienen damals über 90 Landsleute, darunter
auch Prälat Lic. Wilfried Lempp aus Heilbronn
a. N., der Schwiegersohn und langjährige Mitarbeiter
von Superintendenten D. Zöckler und Festprediger
bei diesem Gustav-Adolf-Fest, und Pfarrer Dr. Fritz
Seefeldt, ehemaliger Pfarrer von Dornfeld, Begründer
der dortigen Volksschule. Das Treffen brachte allen
Teilnehmern reichen Gewinn. Die Gäste aus Deutschland
und der DDR. Prälat Lempp sprach in seinem Vortrag
"Was verdanke ich Galizien" besonders über
das Wirken von Theodor Zöcklers in Stanislau
(das Treffen fand genau am 6. Todestag Zöcklers
statt), und uns allen wurde bewusst, dass auch wir
unserer alten Heimat viel zu verdanken haben.
Bei diesem Treffen wurde allen auch klar, wie nötig
und von allen erwünscht ein eigener Kontakt unter
den Landsleuten in Österreich wäre. Es wurde
beschlossen, von da ab jeden Montag zusammenzukommen.
Die Gründung eines Vereines wurde abgelehnt,
ebenso auch der Vorschlag, uns an die Landsmannschaft
der Bielitzer, Bialaer und Teschener oder eine andere
Landsmannschaft anzuschliessen. So wurde die Form
einer "Tischgesellschaft" gewählt,
und dabei blieb es bis heute. Die ersten Monate nach
1955 kamen in den allmonatlichen Versammlungen regelmässig
60 - 80 Landsleute zusammen. Als wir den günstig
gelegenen Versammlungsraum im ersten Bezirk verloren
und keinen entsprechenden neuen finden konnten, mussten
die Zusammenkünfte eine Zeitlang ausfallen. Am
7. März 1967 aber konnten wir uns wieder treffen,
und zwar im neugebauten Gemeindesaal meiner Gemeinde.
Wir trafen uns von da an vier- bis fünfmal im
Jahr: zum Advent, im Fasching, am Muttertag, zu einem
Ausflug vor den Ferien und evt. noch einmal im Herbst.
Vorträge und Berichte, Lichtbildvorträge
(von denen die von Ing. Eduard Czerny und Dr. Dr.
Franz Fischer besonders erwähnt seien), gemütliche
Unterhaltung und die Pflege des Volksliedes gaben
dem Treffen ihren Inhalt. Der Versammlungsraum ist
günstig gelegen und leicht erreichbar.
Nachdem ich zu meinen bisherigen Verpflichtungen auch
noch die eines a. o. geistlichen Oberkirchenrates
dazubekommen habe, kann ich aus Zeitmangel nur noch
zweimal jährlich einladen, und auch bei dieser
Gelegenheit übernimmt Pfarrer Berg manchmal die
Leitung. Frau Dr. Martha Lercher schickt die Einladungen
aus, Frau Henny Bohac, geb. Sander, sorgte für
das leibliche Wohl, ihr Mann Viktor ist Kassier. Zu
diesem Treffen kommen 30-50 Landsleute. Hier muss
noch erwähnt werden, dass das Organ des Hilfskomitees
der Galiziendeutschen "Das heilige Band"
und der "Zeitweiser", die in Stuttgard erscheinen,
auch von Landsleuten aus Österreich bezogen und
gelesen werden und von nicht zu unterschätzender
Bedeutung für den Zusammenhalt der Galiziendeutschen
in Österreich und ihre Verbindung zu den Landsleuten
in aller Welt sind. An den Galiziertreffen in Deutschland
nehmen auch die Landsleute aus Österreich teil,
Pfarrer aus Österreich wurden schon mehrmals
zu Festpredigten eingeladen, so Hofrat Dr. Dr. Franz
Fischer, Pfarrer Siegfried Gruber, Pfarrer Berg, Oberkirchenrat
Jakob Wolfer. Bei unseren Treffen in Wien oder in
kleineren Kreisen auch anderswo berichten wir über
unsere Erlebnisse. So wurde bei unserem letzten Treffen
das ergreifende Epos unseres Volkssplitters, "Das
alte Lied" von Jakob Enders, vorgetragen und
manches von dem letzten Galizientreffen in der BRD
berichtet.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galiziendeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
Das
Andenken Zöcklers in Österreich
Der
110. Geburtstag D. Zöcklers am 5. März 1967
bot Gelegenheit, seinen Namen den Evangelischen und
darüber hinaus auch den anderen Österreichern
wieder ins Gedächtnis zu rufen. Hat er doch in
der Geschichte der Inneren Mission und der Kirchengeschichte
des Protestantismus in Österreich vor dem Ersten
Weltkrieg eine bedeutende Rolle gespielt.
Die Gelegenheit, auf ihn hinzuweisen, habe ich damals
als Wiener Senior reichlich genützt. In einem
Artikel mit Bildern habe ich in der Februarnummer
1967 im Evangelischen Gemeindeboten für Österreich,
"Die Saat", berichtet, und am 7. März
1967 veranstalten wir eine Feier mit Liedern und Gedichten
von Zöckler und einem Vortrag, in dem Zöcklers
Lebenswerk darstellte. Die grosse Teilnehmerzahl bei
dieser Veranstaltung aus allen Gemeinden Wiens bin
hin zum Superintendenten dieser Diözese, dem
Oberkirchenrat und Bischof der österreichischen
evangelischen Kirche bezeugte das grosse Interesse
auch der österreichischen Kreise für diese
Feier.
Auch bei anderen Gelegenheiten würdigte ich Zöcklers
Wirken, so am 5. 5. 1952 vor den Religionslehrern
in Wien, am 12. 2. 1954 im Österreichischen Rundfunk
und am 9. März 1967, dem 100. Geburtstag Zöcklers
an gleicher Stelle (das Manuskript der Sendung wurde
von der Zeitschrift der Religionslehrer "Das
Wort" und in der Schriftenreihe des Evangelischen
Bundes abgedruckt) und im September 1969 in einem
Vortrag bei der internationalen Tagung der Schwerhörigenseelsorgein
Wien. Auch des Lebens und Wirkens Lillie Zöckler
gedachte ich anlässlich ihres Heimgangs in der
Zeitschrift "Die Saat" (Folge 2/1969).
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galiziendeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
Die
Situation heute (1976)
Wenn
man die gegenwärtige Lage der Galiziendeutschen
in Österreich beurteilten soll, dann kann man
sagen, dass es ihnen - von Einzelfällen abgesehen
- gut geht. Bei den Einzelfällen handelt es sich
um ältere Menschen, die aus besonders gelagerten
Verhältnissen keine Pension aus österreichischen
und deutschen Geldern im Rahmen des Gmunder Abkommens
erreichten, weil sie die Berechtigung ihres Anspruches
nicht nachweisen konnten. Aus Unwissenheit oder aus
Not waren sie die ersten Jahre nach dem Krieg nicht
sozialversichert, oder sie wurden zu spät in
die Versicherung aufgenommen, so dass sie bei der
altersbedingten Arbeitsunfähigkeit noch keinen
rechtlichen Versorgungsanspruch hatten und darum nur
die Fürsorgerente bekommen oder eine Gnadenpension.
Das sind aber nur ganz wenige Einzelfälle.
Die anderen konnten weder ihre Ansprüche auf
eine Pension oder Rente belegen und durchsetzen oder
erarbeiteten sich selber Versorgungsansprüche.
Manche arbeiteten noch weit über das Pensionsalter
hinaus, um sich die Rente zu verdienen. Andere stehen
noch im Arbeitsprozess.
Schwer und hart war in Österreich das Ringen
der meisten Landsleute um eine neue Existenz. Ihr
Arbeitseinsatz war bisweilen ganz enorm, und ihr Arbeitswille
erlahmte nicht. Sie haben damit einen guten Beitrag
zum Wiederaufbau Österreichs geleistet. Sie alle
sind in die neue Volksgemeinschaft eingegliedert.
Der weit überwiegende Teil besitzt die österreichische
Staatsbürgerschaft. Nur wenige sind deutsche
Staatsbürger und beziehen als solche eine Pension
oder Rente aus der Bundesrepublik. Einige, aber kaum
mehr als 2-4, sind noch staatenlos, weil sie die österreichische
Staatsbürgerschaft in der schwierigen Zeit, wo
es wichtig gewesen wäre, nicht erreichen konnten
und nachher nicht mehr darum bemühten.
Unter den rund 70.000 Evangelischen Flüchtlingen,
die nach dem Krieg in Österreich blieben und
für die kleine evangelische Diasporakirche im
Lande einen bedeutenden Zuwachs darstellten, spielt
die kleine Zahl der evangelischen Galiziendeutschen
kaum eine Rolle, aber in der Kraft ihres Glaubens
sind sie ein Gewinn für die Kirche.
Das zeigt sich zuletzt auch in der Tatsache, dass
verhältnismässig viele von ihnen in die
Gemeindevertretungen und Presbyterien gewählt
wurden und treu in diesen kirchlichen Körperschaften
mitarbeiten.
So haben die Galiziendeutschen, die nach 1939 nach
Österreich gekommen sind, hier nicht nur eine
neue Heimat gefunden, sondern auch das Heimatrecht
in der Kirche erworben.
Zu
finden in "Neubeginn und Aufbruch" Heimatbuch
der Galiziendeutschen Teil 2 auf den Seiten 394-404
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